MitarbeiterInnen, KollegInnen und Führungskräfte geben tagtäglich Ihr Bestes. Davon sollten besonders Führungskräfte immer ausgehen. Aus vielerlei Gründen kommt es dennoch immer wieder mal vor, dass die Leistung nicht entsprechend der Erwartungen oder der Erfordernisse erbracht wird.

Dann kommen Führungskräfte ins Coaching und fragen, was sie in dieser Situation tun können: Auf den Tisch hauen? Nochmal ein Auge zudrücken und darüber hinweg sehen? Oder welche Alternative bleibt…?

Eine eingängige, abgestufte Möglichkeit, seine Handlungen zu dosieren und MitarbeiterInnen in die Verantwortung zu nehmen, hat Jonathan Raymond mit seinem „Accountability Dial“ vorgestellt:

  1. Die „Erwähnung“:
    Eine kurze und direkte Rückmeldung an die/den MitarbeiterIn, die eine Beobachtung enthält, gekoppelt mit der Nachfrage, ob alles in Ordnung sei. Dieser erste und ganz entscheidende Schritt wird häufig übersehen. Hier geht es um problematisches Verhalten im Anfangsstadium, das direkt addressiert wird. Die Führungskraft zeigt echtes Interesse an der Mitarbeiterin/ am Mitarbeiter und bekräftigt damit ihren Willen, eine respektvolle Beziehung aufzubauen. Mit anderen Worten: die Mitarbeiterin/ der Mitarbeiter weiß sich ernst genommen – auch in seinen Versäumnissen.
    Beispiel: „Hey, ich habe bemerkt, wie Du neulich hörbar aufgestöhnt hast, als ich die Arbeiten zum neuen Projekt verteilt habe. Ist alles in Ordnung?“
  2. Die „Einladung“:
    Ein kurzes, informelles Gespräch (zumeist unter vier Augen), um die Mitarbeiterin/ den Mitarbeiter zu unterstützen, seine Aufmerksamkeit auf einen ganz bestimmten Aspekt zu lenken und zu lernen, darauf zu achten. Es ist eine Einladung, die Zusammenhänge und das darunter liegende Muster zu erkennen. Vielleicht hat die Führungskraft bemerkt, wie die Mitarbeiterin/ der Mitarbeiter in den vergangenen Tagen zum Einen im Teammeeting demotiviert wirkte, zum Anderen mit einem Kollegen eine Auseinandersetzung hatte und vielleicht auch noch einen Kunden am Telefon unhöflich behandelt hat. Die Führungskraft kann dies hervorheben und fragen, was all die Vorkommnisse gemeinsam haben und ob sie oder er ein dahinter liegendes Muster erkennt.
    „Mir ist aufgefallen, dass … (Situationen beschreiben). Gibt es etwas, das Dich belastet? Wie geht es Dir aktuell mit der Situation im Team?“
  3. Das „Gespräch“:
    In dieser Stufe macht die Führungskraft deutlich, dass das Thema dringenden Handelns bedarf. In diesem Gespräch geht es darum, die Mitarbeiterin/ den Mitarbeiter durch einfühlsames aber konsequentes Fragen zu einer Lösung zu führen. Auch hier geht es wieder darum, Muster im Verhalten zu erkennen, die die Mitarbeiterin/ den Mitarbeiter daran hindern, volle Leistung zu bringen (Aspekte, die die Führungskraft bereits in der „Erwähnung“ und der „Einladung“ thematisiert hat). Das Gespräch führt zu einem klaren commitment der Mitarbeiterin/ des Mitarbeiters, die benannten Aspekte zu ändern.
  4. Die „Grenze“:
    An einem gewissen Punkt gilt es, eine klare Grenze zu ziehen und der Mitarbeiterin/ dem Mitarbeiter mögliche Konsequenzen aufzuzeigen, falls er sein Verhalten nicht ändert.
  5. Das „Ende“:
    Wenn es die Situation erfordert, kann die Mitarbeiterin/ der Mitarbeiter eine letzte Möglichkeit erhalten, sein Verhalten zu ändern. Die Letztgültigkeit dieser Maßnahme muss ihr bzw. ihm klargemacht werden.

Viele Führungskräfte überspringen die ersten 3 Schritte und riskieren damit, dass Mitarbeiter sich zurückziehen und die Leistungs-Kultur im Team leidet. Wer eine Feedback-Kultur etablieren will, darf diese Schritte nicht überspringen. Gleichzeitig manövrieren sie sich damit in eine schwierige Situation: wer direkt mit einem „ernsthaften Gespräch“ oder gar Konsequenzen droht, hat schnell sein Pulver verschossen.

Die beiden letzten Schritte hingegen sollten Führungskräfte nur mit Bedacht und äußerst selten anwenden.

Entscheidend bei dieser Art der Kommunikation ist jedoch: Diese 5 Schritte wählen Führungskräfte in einer Haltung von Unterstützung und Interesse für Ihre MitarbeiterInnen – das „Accountability Dial“ ist keine Eskalationsmechanik, um unliebsame MitarbeiterInnen loszuwerden. Vielmehr gilt es, insbesondere die ersten 3 Schritte zu nutzen, sowohl die Mitarbeiterin/ den Mitarbeiter wie auch die Kultur im Team weiter zu entwickeln.

Dazu wiederum ist es nötig, dem Drang zu widerstehen, die Angelegenheit für seine MitarbeiterInnen zu lösen.

Sie bringen MitarbeiterInnen dazu, eigene Lösungen zu entwickeln, indem sie

  • Offene Fragen stellen: selbst Aufforderungen („Bitte seien Sie pünktlich!“) lassen sich als offene Frage formulieren („Was werden Sie tun, um sicher zu stellen, dass Sie pünktlich sind?“)
  • Entschuldigungen zurückweisen, die Verantwortungsübernahme vermissen lassen („Sorry, hab die Zeit übersehen.“). Fehler sind Gelegenheiten zu lernen. Dafür sollte der Mitarbeiter den Fehler erkennen und anerkennen.
  • Probleme nicht selbst lösen sondern ihrem Team die Gelegenheit geben, an den Problemen zu wachsen („Welche Ideen habt IHR, den Kunden xyz zurück zu gewinnen?“).
  • Zu den Entscheidungen des Teams stehen. Selbst als vorläufige Ideen vorgestellte eigene Vorschläge werden von Teams schnell als Entscheidungen aufgefasst – Zurückhaltung ist also angesagt („Wir haben hier ein wichtiges Problem zu lösen. Lasst uns unsere Kräfte bündeln und gemeinsame Ideen entwickeln. Aus dem Bauch heraus: Welche ersten Ideen habt Ihr dazu?“).
  • Die Konsequenzen aufzeigen. Dabei ist es wichtig, zwischen sanktionierenden und schützenden Konsequenzen zu unterscheiden: sanktionierende Konsequenzen zielen auf bestimmtes Verhalten ab, wohingegen schützende Konsequenzen das Team oder das Unternehmen schützen sollen. Konsequenz wird zu häufig mit Kündigung gleichgesetzt, dabei gibt es eine Vielzahl anderer Konsequenzen, die Kündigung sollte nicht als Drohung genutzt werden.

A propos Feedback:

Wer sich und sein Team in der eigenen Feedback-Kultur weiterbringen möchte, dem sei unsere (zur Zeit digitale) 4-stündige „Work-out Session Feedback“ ans Herz gelegt. Erprobt und bewährt mit bis zu 90 TeilnehmerInnen!

Hier Angebot einholen.

* Raymond, Jonathan (2016): Good Authority: How to become the leader your team is waiting for. Ideapress Publishing, Washington D.C.